Stadtwerke Geschäftsführer Stefan Figge spricht über die aktuelle Lage am Gasmarkt und die Ausrufung der Alarmstufe des Notfallplans Gas:
Herr Figge, am 23. Juni hat das Bundeswirtschaftsministerium die zweite Stufe des Notfallplans Gas ausgerufen – was bedeutet das?
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat die Alarmstufe des Notfallplans Gas nicht ohne Grund ausgerufen. Russland hat in den vergangenen Wochen die Gasflüsse durch die Pipeline Nord Stream 1 deutlich reduziert. Dies führt zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage.
Daraus resultieren deutlich erhöhte Beschaffungskosten für Gas, die aktuell um ein vielfaches höher sind als in den vergangenen Jahren?
Das ist richtig, aber auch schon vor dem Krieg in der Ukraine ist Energie spürbar teurer geworden. Bis dato war der bisherige Preissprung dank der vorausschauenden Beschaffungsstrategie der Stadtwerke Langenfeld nicht all zu hoch. Jetzt müssen wir aber mit weiteren Preissprüngen rechnen, die der Vorlieferant auf Basis des Energiesicherheitsgesetzes und trotz aller bestehenden Verträge an uns weitergeben darf. Deswegen stellen wir uns darauf ein, dass die Beschaffungskosten in den kommenden Monaten nochmal steigen. Dies wird noch zusätzlich durch neue staatliche Umlagen verschärft.
Womit müssen Verbraucher in den kommenden Monaten rechnen?
Die Ausrufung der Alarmstufe hat zunächst keine unmittelbaren Folgen für die Kundinnen und Kunden der Stadtwerke Langenfeld. Aber die Preise, die Verbraucher aktuell für Gas zahlen, bilden die aktuelle kritische Lage nicht richtig ab. Hinzu kommen mutmaßlich Gesetzesänderungen, von denen auch wir abhängig sind. Spätestens im nächsten Jahr wird es auch für Endkundinnen und Endkunden zu erheblichen Preissteigerungen kommen, da auch wir uns aktuell zu den hohen Preisen für die vorausliegenden Lieferjahre eindecken müssen.
Wie kommt diese Preissteigerung zu Stande?
Im Prinzip ist es ganz einfach: die Nachfrage ist hoch, das Angebot aber gering.
Gilt das auch für das in Langenfeld verwendete L‑Gas?
Ja, denn auch unser Gaslieferant muss aufgrund des geringen Angebotes Gas zu deutlich erhöhten Konditionen nachkaufen. Dies merken wir jetzt schon in unserem Zukauf von Gas, trotz unserer Beschaffung in Tranchen. Auch wenn wir derzeit noch als eines der letzten Gebiete in Deutschland L‑Gas anbieten, darf man die bundesweite Gasversorgung und die physikalischen Grundsätze nicht außer Betracht lassen, dies zusammen ist ein hochkomplexes Gebilde.
Sind die Stadtwerke noch in der Lage Gas zu kaufen?
Ja, das sind wir und auch die Versorgungsicherheit ist weiterhin gegeben. Aber die Situation in der Energieversorgung war noch nie so angespannt wie jetzt. Deswegen ist es wichtig, dass die Bundesregierung Entscheidungen trifft, die die Energieversorgung nachhaltig sichern. Auch für uns ist die Situation eine komplett neue Erfahrung. Dennoch sind wir bestrebt darin, für unsere Kundinnen und Kunden da zu sein und den vielen Nachfragen zuverlässig und fair nachzukommen.
Welche Maßnahmen haben die SWL bereits hinsichtlich der Gasmangellage getroffen?
Natürlich stehen wir im engen Austausch mit Vertretern von Behörden und Verbänden. Wir haben unseren Krisenstab erweitert und prüfen regelmäßig Notfallpläne für den potentiellen Versorgungsstopp, um so die bestmöglichen Lösungen für unterschiedliche Szenarien zu finden. Ansonsten folgen wir den vorgegebenen Richtlinien und Maßnahmen des Notfallplans Gas.
Müssen Langenfelder Bürgerinnen und Bürger Gas einsparen?
Ja, definitiv. Das bundesweite Ziel ist es, die Gasspeicher während der warmen Sommermonate aufzufüllen, um mögliche Engpässe im Winter vorzubeugen. Hierzu sollte jeder seinen Beitrag leisten.
Bemerken Sie, dass die Langenfelder vermehrt auf Gas verzichten?
Nicht ausreichend. Das ist natürlich auch in gewissem Maße verständlich, da für viele Kundinnen und Kunden die erhöhten Energiekosten noch nicht greifbar sind. Dennoch, wir und die gesamte Branche rechnen mit deutlich erhöhten Kosten für Verbraucherinnen und Verbraucher. Preissteigerungen treffen daher nicht nur unsere Kunden oder sind auf uns als Anbieter beschränkt. Ganz Deutschland muss sich dieser neuen Herausforderung stellen.
Was möchten Sie den Langenfelder Bürgerinnen und Bürgern noch mitgeben?
Ich habe allgemein das Gefühl, dass die Situation bei einem Großteil der Gesellschaft noch nicht vollumfänglich angekommen ist. Daher möchte ich das auch ganz deutlich und ungeschönt sagen, denn das gehört für mich auch zu einem fairen Umgang miteinander dazu. Viele Bürgerinnen und Bürger genießen nach den gelockerten Corona-Maßnahmen aktuell die Freiheit, feiern und fahren in Urlaube. Das ist natürlich ihr gutes Recht. Aber auch wenn ich nicht die Spaßbremse sein möchte, weise ich nochmal ausdrücklich darauf hin, dass die Preise in den kommenden Monaten mit sehr großer Wahrscheinlichkeit steigen werden. Deswegen empfehle ich Gas einzusparen und finanzielle Rücklagen zu schaffen, denn es wird teurer werden.